Überschlägige Bodenwertberechnung für bebaute Grundstücke
In Innenstadt-, Großstadt- und Verdichtungszonenlagen, in denen es keine bzw. kaum unbebaute Grundstücke gibt, und insbesondere in Zonen, in denen vorwiegend der Neubau von Eigentumswohnanlagen für einen exponentiellen Anstieg der Bodenrichtwerte in den vergangenen Jahren verantwortlich ist, sollte u. U. ein spezieller Bodenwert für bereits bebaute Grundstücke ermittelt werden.
Für eine vereinfachte Bewertung bietet sich eine Anpassung des Bodenwerts „unter Berücksichtigung unterschiedlicher Mieterträge“[1] gem. dem Münchner Modell [2] an. Denn die u. a. für den Zweck der Kaufpreisaufteilung erforderliche Bodenwertermittlung für ein bebautes Grundstück erfolgt hierbei gem. Nr. 7, Abs. 2, Satz 2 BRW-RL. Hiernach können zur Ermittlung des Bodenwerts für Bestandsobjekte in sog. Verdichtungszonen auch das „Verhältnis der Mieten in Geschäftslagen“ sowie die „Miet- und Pachtentwicklungen“ und somit auch Kaufpreisentwicklungen verwendet werden. Das bedeutet für die Anwendung in einem steuerlichen Massenbewertungsverfahren, dass der Bodenwert um den Anteil zu reduzieren ist, um den die bei einem Neubau erzielbare Nettokaltmiete über der im Bestand erzielbaren Nettokaltmiete liegt:
oder analog für Kaufpreise von Eigentumswohnungen [3]:
Für eine derartige Vorgehensweise bieten sich insbesondere Eigentumswohnungen an, da diese i.d.R. bei Neubauten (Erstverkauf) und bei bestehenden Gebäuden (Wiederverkauf) unterschiedlich hohe Kaufpreise oder Mieten besitzen, die nur teilweise und nur geringfügig auf die zwischen beiden Zeitpunkten liegende Alterswertminderung zurückzuführen sind.
Beispiel: Bodenkorrekturfaktor anhand von Mieten von Neubau- und Bestandsobjekten aus dem Mietspiegel [4]:
Bodenrichtwert | 2.000 €/m² |
Wohnraummiete bei Neubau | 18 €/m² pro Monat |
Wohnraummiete bei neuwertigen Bestandsobjekten | 13 €/m² pro Monat |
Wohnfläche gem. Mietspiegel | jeweils 75 m² bei Bestands- und Neubauobjekten |
Beurteilung der Anwendbarkeit:
- In Hochpreis- und in Verdichtungszonen, wie z.B. in Innenstadtbereichen, in denen keine entsprechenden Korrekturfaktoren von Gutachterausschüssen ausgewertet und veröffentlicht werden, kann diese Näherungslösung zumindest einen ersten Anhalt für den Bodenwert eines bebauten Grundstücks geben.
- Der sich aus dem Verhältnis von Bestands- und Neubaumieten oder -kaufpreisen ergebende Bodenkorrekturfaktor könnte ggf. sogar bundesweit für ein vereinfachtes Verfahren zur Ermittlung und Überprüfung von Bodenwerten für bebaute Grundstücke geeignet sein, da dieser sich sowohl im Zähler als auch im Nenner an die jeweils dort vorherrschenden lokalen Marktverhältnisse - auch in den unterschiedlichen Lagen anderer Großstädte und sonstiger Hochpreiszonen - anpasst.
- Diese vereinfachte Vorgehensweise stellt damit grundsätzlich eine Alternative zu einem Gutachten mit detaillierter, exakter und entsprechend zeit- und kostenaufwendiger Bodenbewertung dar und könnte zumindest näherungsweise zu auch für den immobilienwirtschaftlichen Laien nachvollziehbaren und marktkonformen Bodenwerten für bebaute Grundstücke führen. Zudem könnte man z. B. einen Makler oder einen sonstigen dafür geeigneten Immobilienfachmann zur Feststellung der im Einzelfall maßgeblichen Bestands- und Neubaumieten hinzuziehen, um hierdurch die Genauigkeit des hieraus resultierenden Bodenwerts zu erhöhen.
- Bei anderen Gebäudetypen und verschiedenen ganz oder teilweise gewerblich genutzten Objektarten stößt diese Vorgehensweise aber an ihre Grenzen, sobald für diese keine entsprechenden Verhältnisse zwischen ortsüblichen Bestands- und Neubaumieten bzw. entsprechenden Kaufpreisen zweifelsfrei abgeleitet werden können oder sobald dieses nur mit sehr hohem Zeit- und Arbeitsaufwand möglich ist.
Fazit:
Auch wenn man die bisher in konkreten Einzelfällen erfolgte Akzeptanz dieser hier erläuterten Vorgehensweise in Verkehrswertgutachten keinesfalls als pauschale Anerkenntnis durch die Finanzverwaltung verstehen darf, erhöht die Veröffentlichung auf Seite 64 des „Grundstücksmarktberichts Stadt München 2014“ doch zumindest die Chance, dass auch Ihre entsprechend jeweils mit durchschnittlichen Miet- und/oder Kaufpreisansätzen durchgeführten Berechnungen grundsätzlich ebenfalls auf Zustimmung stoßen könnten.
1 Jardin „Steuerliche Bewertung“ in Gerardy / Möckel / Troff „Praxis der Grundstückswertermittlung“, Loseblattwerk, 113. Ausgabe, 3/2016, München, Olzog Verlag GmbH, Kap. 10.1.3.2, S. 11, Abs. 2
2 Siehe Jahresbericht 2014 des Gutachterausschusses für Grundstückswerte im Bereich der Landeshaupstadt München „Der Immobilienmarkt in München“ Seite 64 sowie Moll-Amrein / Schaper „Ermittlung des Gebäudewertanteils von Renditeobjekten in Gebieten mit hohem Bodenpreisniveau“, GuG 2013, Heft 5, Seiten 257 - 267, Neuwied, Wolters Kluver, Kap. 2.2.4 Das Münchner Modell wurde aber nicht für die Bodenwertermittlung von bebauten Grundstücken, sondern ausschließlich für die Ermöglichung der Anwendbarkeit des Ertragswertverfahrens in Bewertungsfällen entwickelt, in denen die Verzinsung des Bodenwerts aufgrund eines darin beinhalteten zu hohen, sich am Bodenrichtwert orientierenden Bodenwerts den Jahresreinertrag übersteigt, so dass sich folglich bei der Fortführung dieses Verfahrens ansonsten ein negativer Gebäudeertragswert ergeben würde. Das Münchner Modell ist auf die Ermittlung eines Ertragswerts für das jeweils bebaute Grundstück ausgerichtet und nicht auf die einzelnen Wirtschaftsgüter „Boden“ und „Gebäude“ und bedarf daher im Rahmen einer Verkehrswertermittlung nach § 194 BauGB zusätzlich der Einbeziehung eines entsprechend an die jeweilige darin beinhaltete Bodenwertkorrektur anzupassenden Liegenschaftszinses, für dessen Ermittlung dort ein Berechnungsmodell in Form einer Excel-Datei erworben werden kann.
3 Schaper „Ermittlung von Gebäudewertanteilen zum Zwecke der Abschreibung; Problematik in Regionen mit hohem Bodenpreisniveau", LVS Bayern, Fachbereich Immobilienbewertung, Präsentation zum Vortrag vom 20. 01. 2015 in München, Folie 10
4 Alternativ könnte das Verhältnis auch aus durchschnittlichen Kaufpreisen für Eigentumswohnungen im Erst- und im Wiederverkauf gebildet werden, soweit diese im Grundstücksmarktbericht des örtlich zuständigen Gutachterausschusses enthalten sind.